Essays - zusammenhangslose schriftstücke, die auf verschiedene gefühle basieren...


Kaffee


Der zweite Kaffee vor 9 Uhr. Mein Gott, wie untypisch für mich. Vor einiger Zeit stellte ich meine Routinen um. Wieso bist du so dumm, und trinkst Kaffee auf nüchternen Magen!, sagte mir meine innere Stimme. Ja, etwas zu tadelnd, aber irgendwo steckte im Gesagten Wahrheit. Wieso eigentlich? Jahrelang tat ich meinem Körper viel Ungutes damit an. Weil ich unwissend, weil ich stumpf für jegliche gesundheitlichen Aspekte war. Und doch, ist es nur ein kleiner Schritt. Ein minimaler Schritt in die Richtung, die sich Selbstliebe nennt. Wieso das mit Selbstliebe zu tun hat? Na, weil ich etwas für meinen Körper tue, indem ich auf ihn achte. Achten und lieben lerne. Egal wie er aussieht, egal, wie viele Narben er trägt. Der Kaffee am Morgen schien romantisiert eine schöne Gelegenheit zu sein. In einem frisch duftenden Morgenmantel aus dem Schlafzimmertretend. Heranschreitend an das große Fenster im Wohnzimmer. Der Kaffee in einer schön verzierten Tasse. Der rechte Fußzeh galant nach hinten abgetippt, sodass das Bein ein wenig gestreckt wurde. Währenddessen den Oberkörper in eine offene Haltung gebracht. Die Haare in leichten über die eine Schulter fallend, während die Sonne auf den Rasen im Garten scheint. Nun ja – wir kennen das alle. Es ist reinster Humbug. In der Regel stand ich mit leichten Kopfschmerzen vom Bett auf, weil der Koffeinentzung schon morgens kickte. Mit müffelndem Morgenatem und verschmierter Wimperntusche, weil ich es wieder nicht geschafft hatte, abends ins Bad zu gehen, ging ich an die Kaffeemaschine und betete, dass mein Mann den Milchbehälter gesäubert hatte, bevor er zur Arbeit ging und sich wieder einen Tag mehr erlaubte, sich der Carearbeit von zu Hause zu entziehen, um der Erwerbsarbeit Zoll leisten zu können. Ich genoss den Kaffee nicht, er wurde entweder hinuntergestürzt, aus Angst, die Kinder würden mit ihren Unterbrechungen dafür sorgen, dass dieser kalt werden würde (was dennoch häufiger der Fall war) oder ich vergaß ihn vollends und entdeckte ihn erst Stunden später, als die Milch im Kaffee schon gerinn beziehungsweise sich abgesondert hatte und sich der leichte Fettrand an der Tasseninnenwand gebildet hatte.
Nein. Mein erster Kaffee am Morgen war keine schöne Routine. Es war kein dankbarer Moment am Fenster. An sich war es eine unterbewusste Sucht meiner Hormone, meines Cortisolspiegels, der sich nicht mehr selbst regulieren wollte. Mein Körper war aufgeschmissen.
Der Wendepunkt kam und ich änderte eine Kleinigkeit an meiner Morgenroutine: Weglassen des Kaffees. Ersetzt durch 500ml Solewasser. Die ersten Tage war es eine harte Umstellung, Für mich fühlte es sich an, als hätte ich einer Diät zugestimmt und von nun an immer auf Süßes verzichtet. Manchmal bekam ich das Wasser noch nicht mal hinunter.
Mit der Zeit etablierte sich dieser Schritt, das Wasser gab mir die nötige Ressource, meine Energie selbst zu produzieren. Außerdem verschwanden die Kopfschmerzen, meine Verdauung besserte sich und generell mein Energiehaushalt und Emotionsregulation glich sich enorm aus…
Ich verabschiedete mich von dem romantisierten Gedanken, was mir der Kaffee am Morgen in den Kopf setzte, und ließ einen neuen Ablauf zu. Dieser Ablauf gab mir eine Kraft zurück, die ich mir einst nicht zugestand.
Und das alles nur wegen einer kleinen Änderung meiner Morgenroutine?
Ja, denn genau das haben wir in der Hand. Nicht den Krieg in der Welt, nicht die Fanbase verschiedener Influencer, nicht die AFD-Wähler. Was wir in der Hand haben, liegt in uns, demnach auch unser Körper. Wenn wir an uns und unsere Ressourcen denken, so können wir die Kraft aufbringen, die die Gesellschaft kollektiv braucht.
Heute bekam ich einen Kaffee ans Bett gebracht. Von meiner Tochter. Sie weckte mich mit den Worten, ob ich Kaffee möchte. Ging dann zu meinem Mann und ordnete ihm an, dass er mir einen Kaffee machen sollte. Er war erst veblüfft. Mama und im Bett Kaffee? Das gab es doch seit Monaten nicht mehr. Aber er tat, was sie anwies – denn hier im Haushalt herrscht blindes, gegenseitiges Vertrauen und Authentizität in den Beziehungen. Sie kam mit einem Kaffee wieder hoch ans Bett. Fragte mich anschließend, ob ich auch Pfannkuchen essen möchte. Selbst den hat sie mir ans Bett gebracht. Während ich meinen nachträglichen Muttertag innerlich zelebrierte, kuschelte sie sich an meine Seite und blieb für einen kleinen Moment bei mir.

Ich will nicht meinen, dass es gut oder schlecht sei, Routinen zu unterbrechen. Aber diese Ausnahme meiner selbst auferlegten Regel gab mir das Gefühl von Echtheit im Leben. Ein Gefühl, die Zeit bewusst stoppen zu können und den Moment zu genießen. Es gab mir selbstbestimmte Romantisierung in mein Leben, von der ich nur Vorstellungen projizieren konnte. Dieser kleine intensive Moment, wenn man Rapé das erste Mal nutzt, um sich in die Gegenwart rufen zu können. 


Wir leben von leeren Versprechungen.

 

Wir leben von der möglichen Bestätigung, fühlen uns geschmeichelt, wenn das Kompliment mit „wenn du“ oder „hättest du nur‘“ anfängt. „Aus dir hätte ein Sänger werden können!“ – „Du hättest auch deinen eigenen Laden aufmachen können, so gut, wie du die Ware hier verkaufst!“ Es geht runter wie Öl, gibt uns ein warmes Gefühl um’s Herz. Doch dann folgt die einsame Kälte. Sie lässt uns plötzlich alleine fühlen, obwohl wir unter Menschen Blicke austauschen und die soziale Batterie aufladen – wie kann das sein?
Die Tatsache, dass wir gekonnt „hätten“ lässt in uns Zweifel wachsen. Zweifel darüber, ob das Leben, so wie wir es gewählt haben, richtig war.
Ja, es können nette Komplimente sein. Aber eigentlich teilen uns die Aussagen mit, das wir Potential haben. Potential, was wir nicht nutzen, weil dieselben Stimmen laut werden, wenn wir es denn versuchen wollen. „Wie kannst du nur daran denken, Musik machen zu wollen, ohne eine Ausbildung gemacht zu haben?!“ – Ja, wie kann ich nur. Ich kann nicht wissen, dass du 10 Jahre später an denselben Tisch sitzt, und mir sagen wirst, dass ich das Zeug dazu gehabt hätte. Wie hätte ich ahnen können, dass du meine inneren Glaubenssätze manipuliert hast und mein Selbstwertgefühl dadurch geschwächt hast. Du hast mich im Griff. Mit deinen Aussagen über meine Person, über meine Kompetenzen – und ich glaube dir. Ich glaube dir, wenn ich Zeit genug habe, und ich glaube dir, wenn die Zeit knapp wird.
Und doch, wenn man es nach Jahren probiert und wagt den Sprung ins Unbekannte – kann es sein, dass man beim Scheitern genauso allein dasteht wie in der Parallelwelt, als man uns „hätte, könnte, sollte“ – Sätze an den Kopf geschmissen hat.
Manchmal schmerzt Scheitern genauso wie das „Nicht-Tun“. Es schmerzt, weil man glaubt, alle Leute hatten Recht, als sie sagten, es sei absurd, es zu versuchen. Jetzt sind es nicht die Hätte-Sätze, die geschmissen werden, sondern die „Hättest-du-bloß-nicht“.

 

 

Hättet ihr euer Leben anders gelebt, wenn ihr nicht diese fiesen Stimmen im Kopf gehabt hättet?

Wenn meine Kreativität fließt...



“Bitte was?!”, Glen raufte sich mit beiden Händen die Haare, sodass seine blonde Kurzhaarfrisur gen

Himmel stehen blieb. Lilly schaute betreten zu Boden. Der Rasen war noch feucht vom letzten

Regen, der vor einigen Stunden runterkam. Sie ließ die Augen nach oben wandern und stellte fest,

dass sich die grauen Wolken wieder zuzogen. Es wird wieder gewittern, dachte sie. Das Wetter war

so turbulent, wie ihre Gefühle in ihrem Bauch. Glen tigerte von rechts nach links, er schien in

Gedanken versunken, doch konnte sie nicht ausmachen, an was er genau dachte. Er blieb abrupt

stehen und blickte sie durch seine gehetzten Augen an, die einem tiefem Ozean glichen: “Es ist alles

wahr?!”

Lilly betrachtete seine Gesichtszüge. In der Gefühlslage, die Glen gerade durchlebte, und anhand der

Kulisse, in der sich beide befanden, sahen sie härter aus als sonst. Starke Wangenknochen,

verbunden mich harten Kieferlinien. Und doch war Glen wunderschön - schöner, als sie je in

Erinnerung hatte. Die Gene der Familie lassen für ihn nur Gutes übrig. Während Glen den

Schönheitsidealen der Gesellschaft eindeutig gerecht wurde, besaß Lilly eine andere Form von

Aussehen. Ihre blonden Haare reichten ihr bis zum Rücken, fein und glatt fielen sie über die

Schultern. Ihre Augen hatten das tiefe Grün der Wälder an sich genommen, während ihre Haut blass

und fast durchlässig schien – Glen ist sonnengebräunt - das lag wohl eher an seinen Reisen, die er

regelmäßig unternahm. Dass sie sich unter solchen Umständen nach 10 Jahren wiedersehen würden,

hätte sie nie für möglich gehalten. Und doch musste sie sich der Konfrontation nun stellen – und ihm

die Wahrheit sagen. Zu lange hatte sie gewartet, etwas zu äußern - bis der richtige Zeitpunkt

gekommen ist. Doch wann war der perfekte Zeitpunkt, um zu erzählen, dass die Familie ein Dämon

an sich haften hatte, und das schon seit Jahrzehnten? Ein Dämon, der all das Unglück und die

Krankheiten über die Familie brachte. Das Leid, was zwischen ihren Geschwistern vorgefallen ist. Die

Scheidung, die die Eltern vollzogen. Ihr lief es immer noch kalt den Rücken hinunter, wenn sie daran

dachte, wie angsteinflößend der Moment war, das sie genau dies herausgefunden hat. Und als sie

die Ursache für all das Böse innerhalb der Familie endlich gesehen hatte – wurde ihr klar, dass alle

anderen Legenden auch wahr sind. Alle Wesen, die jemals in Büchern verewigt wurden, leben

entweder in anderen Dimensionen und schleichen sich heimlich in der Welt der Menschen hinein,

um sich Zugang zu Nahrung zu schaffen. Meist ist die Nahrungsquelle der Mensch selbst – Hass, Leid,

Missgunst. All das, was negative und böse Gedanken und Gefühle im Herzen hervorrufen. Aber all

das Schlechte sagt natürlich voraus, dass es gute Dinge gibt, auf die man sich verlassen oder bei

denen man um Schutz bitten kann. “Ja”, kam es kläglich aus Lillys Mund heraus, “Ja, es ist alles

wahr.” Glens Augen weiteten sich. “Wo ist Zeraphina? Lilly? Seit Monaten suchen wir sie! Du

wusstest es, oder? Wieso hast du nichts gesagt?” Lillys Herz wurde schwer, eine Träne kullerte über

ihre Wange. Zeraphina, ihre Schwester. 12 und zauberhaft. Ihre Augen waren eine Mischung aus

dem tiefen Ozean und dem grünen Wald, die ihre großen Geschwister besaßen - ein unglaubliches

Türkis. So magisch sich das anhört - so magisch war auch sie.


Essay 2 - Wunsch und Angst

 

Was bedeutet es, Zweifel an sich selbst zu haben? 

Heißt es, dass man sämtliche Ziele, die man mal für sich selbst formuliert hat, komplett über Bord wirft? Oder dass man sich erst so richtig kennenlernt? Oder ist das ein Zeichen von Charakterschwäche... dass man sich nicht so nimmt, wie man wirklich ist, dass man Angst hat, nicht die Person sein zu können, die man sich so sehr wünscht. 

Wunsch und Angst, das sind zwei Gegensätze, die so nahe beieinander liegen. Man hat Angst, sich nicht selbst verwirklichen zu können. Den Wunsch, sich selbst wahr werden zu lassen. 

 

Wieso sehen Menschen einen nicht so, wie man sich selbst sieht? Es ist anstrengend, ständig ehrlich zu sich selbst zu sein. Denn nur der eine selbst ist der stärkste Kritiker. Nichts tut mehr weh, als wenn man sich selbst eingesteht, was man für Fehler und Schwächen hat. 

 

Das Schlimme ist, dass ich selbst denke, dass ich mich ehrlich und korrekt verhalte. Dass ich Fehler mache ist klar, aber auch, dass ich sie zugeben kann und dementsprechend ausmerze. Ist das narzisstisch, oder reflektiert? 


Essay 1 - Der Kuss

Ich blinzelte. Und dann nochmal. 

Wie erstarrt stierte ich ihm in seine grellen Augen und konnte es nicht fassen, was da gerade passiert ist. Oder ich träumte es nur, bildete es mir ein. Wie eine Salzsäule saß ich auf dem Barhocker, um mich herum wurde die Luft immer dicker, ich konnte kaum noch atmen. Auch er schaute sehr irritiert drein. Doch er war es doch, der es gewagt hatte, seine Lippen auf die meinen zu pressen. Oder habe ich ihm eine stumme Einladung mit meinem verträumten Blick geschickt, die er lediglich annahm? 

Ich löste mich von seinen Augen, und runzelte verdutzt die Stirn. Ich komm ja ganz durcheinander. Im Grunde ist es völlig nebensächlich, wer was getan hat. Tatsache ist die, dass ich meinen Kumpel geküsst hatte. Obwohl ich Mühe getan hatte, dass meine Gefühle für ihn verborgen blieben - offensichtlich vergeblich.

Ohne ein weiteres Wort zu sagen rutschte ich vom Barhocker. Ich konnte mich nicht mehr auf den Beinen halten. Ob das jetzt an den mörderisch hohen Higheels oder an dem Tornado meiner Gefühlen lag, wusste ich nicht. Ich stöckelte leicht schwankend Richtung Toilette, riss die Türe auf und klemmte mich haltesuchend an das kalkweiße Waschbecken. Ich musterte mein Spiegelbild und erkannte mich kaum wieder. Meine Wangen leuchteten rosa, meine Lippen waren leicht geöffnet. Und meine Augen sprachen Bände. Ich sah begehrenswert aus, mein Herz hämmerte gegen meine Brust. Aber das bin nicht. Ich bin es gewohnt, die graue kleine Maus zu sein, meine aschblonden, schulterlangen Haare in einem Knoten zu schlingen und die Augen hinter meiner Brille zu verstecken. Dummerweise habe ich heute Abend meine Gewohnheiten schleifen lassen, ließ meine Haare in sanften Wellen über meinen Rücken fallen und tauschte meine Brille gegen ein Paar Kontaktlinsen. Ich könnte mir ehrlich in den Arsch beißen. Gerade heute wollte ich einen schönen ausgelassenen Abend mit meinen Freunden verbringen. Dass nur noch ich und Kai übrig blieben, war nicht geplant. Ich fühle mich seit Langem zu ihm hingezogen, doch da er selbst mit seinem Leben beschäftigt war und ich mich gerade von jemandem getrennt hatte – wollte ich meine Gefühle für mich behalten. 

Ich tupfte mir kaltes Wasser sanft in den Nacken. Es gabt in dieser Situation nur zwei Möglichkeiten: die Freundschaft beenden, oder ihm sagen, was ich fühle. Ich machte auf dem Absatz kehrt und öffnete die Tür, um wieder in die Bar zu gelangen...